Wenig Wähler in Kästorf und Gifhorns Süden

Gifhorn Wo besonders wenige Menschen im Kreis ihre Stimme abgeben – und einige Erklärungsversuche.

 

 

Von Erik Westermann

Ausbleibende Wähler und gelangweilte Helfer. Themenfoto: dpa
Ausbleibende Wähler und gelangweilte Helfer. Themenfoto: dpa
  

Hier liegen sie, die Niederungen der Wahlbeteiligung im Landkreis Gifhorn. Nur rund 37 Prozent der dazu berechtigten

Kästorfer sowie 46 und 48 Prozent in den Wahllokalen Fritz-Reuter-Realschule und Stadtbücherei im Gifhorner Stadtgebiet gaben bei der Bundestagswahl im Jahr 2009 ihre Stimme ab. Der Bundesdurchschnitt lag damals bei 70,8 Prozent – die niedrigste Wahlbeteiligung aller bundesdeutschen Parlamentswahlen. Zahlen, die Demokratiefreunden das Trauerwasser

in die Augen treiben dürften – auch wenn der Vergleich mit dem lokalen Ergebnis leicht hinkt, fehlen dort doch die Briefwähler, die in der Statistik räumlich nicht so kleinteilig erfasst werden.

Die Ergebnisse in den genannten Bezirken sind kein Einzelfall, die jüngste Landtagswahl bestätigte sie. Doch warum ist das so? Kästorfs Ortsbürgermeister Jürgen Völke hält seine Mitbürger für nicht weniger demokratisch als anderswo. Er sieht einen Zusammenhang mit der großen Anlage der Diakonie im 3100-Einwohner-Ort, wo rund 450 Menschen im Wähleralter in der Wohnungslosenhilfe, Altenhilfe, Eingliederungshilfe und Jugendhilfe gemeldet sind. „Ich kann mir vorstellen, dass dort die Motivation geringer ist.“

Pauschal möchte Diakonie-Sprecherin Ingetraut Steffenhagen das nicht stehenlassen. „Die Bewohner sind alt genug, für sich selbst zu entscheiden.“ Für jene, die körperlich eingeschränkt sind, gebe es einen Fahrservice zum Wahllokal.

Und: „Das Personal informiert auch über die Möglichkeit der Briefwahl.“

Die Gegend um die Fritz-Reuter-Realschule hingegen ist von ihrer sozialen Struktur her schwierig, glaubt Gifhorns Erster

Stadtrat Walter Lippe. „Dort leben viele Menschen, die von der Politik enttäuscht sind.“ Der Anteil von Geringverdienern,

Hartz-IV-Empfängern sowie Ausländern sei dort höher.

An der Stadtbücherei sind es die rund 250 Bewohner des Altenheims Christinenstift, die oft weniger mobil seien, so seine Erklärung. Zwar könne es sein, dass sie vermehrt die Briefwahl nutzen – doch würde das nicht lokal aufgeschlüsselt erfasst.

Auf die geringe Resonanz hat die Stadt reagiert: Bei der jetzigen Wahl verschmilzt der Bezirk mit dem des Lokals Freiherr-vom-Stein-Schule.

Maßgeblich für die Wahlbeteiligung, erklärt Dr. Birgit Mangels-Voegt vom Lehrstuhl für Innenpolitik der Technischen Universität Braunschweig, ist die jeweilige Zusammensetzung der Bevölkerung. Dabei gelte: je geringer das Einkommen und das formale Bildungsniveau, desto niedriger die Wahlbeteiligung. „Maßgeblich sind immer sozio-ökonomische Faktoren.“ Bei sozial Schwächeren fehle es oft an der Kenntnis der Funktionsweisen des Staates – was in Resignation oder pauschaler Verurteilung resultieren könne. Aber auch die Altersstruktur spielt eine Rolle. „Es gibt einen höheren Anteil von Nichtwählern bei jungen Menschen.“

Dabei gilt: Dort, wo tendenziell ältere Menschen wohnen, ist die Wahlbeteiligung eher höher – jedenfalls, solange sie nicht hochbetagt sind. Gerade die Bürger zwischen 55 und Mitte 60 verfügten oft über Muße und Wissen, um am politischen Leben teilzunehmen.

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